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Libyen - "Guck du lieber mal nach vorne"

Reisebericht von Kalle Finger

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Endlich geht es weiter, dem nahen Erg Murzuq entgegen. Schnell erreichen wir die ersten Dünen. Sie stehen noch isoliert. Zwischen ihnen sind breite, gut zu befahrende Gassis. Nach etwa 15 Kilometern in Richtung Süd-Ost, etwa dort wo die ersten Sandriegel zu queren sind, schlagen wir oben in den Dünen unser Lager auf. Es ist später Nachmittag, das Licht ist genial und wir genießen die Aussicht auf die fantastische, in Rot getauchte Dünenlandschaft. Alle sind sichtlich zufrieden. Sascha kramt das Buch „Pistenbeschreibung einer Libyenreise 1994 – 1995“ von Frithjof Ohin raus und liest aus dem Kapitel „Reisepartner“ vor: „… Es hat sich herausgestellt, dass die ideale Zusammensetzung aus 2 Autos mit je 2 Personen besteht. 3 Fahrzeuge sind noch tragbar aber es sind eigentlich schon zu viele Personen. 6 Individualisten unter einen Hut zu bringen und jedem seine Bedürfnisse zu erfüllen, kann schlimmer sein als einen Sack Flöhe zu hüten. 4 Fahrzeuge sind der reinste Horror. Man stelle sich vor, man muss mit 4 Autos während der Stoßzeit durch Sabha oder Tripolis und keiner weiß so recht, wo man eigentlich hin will. Das Tanken und Wasser auffüllen dauert eine Ewigkeit, das Einkaufen ist ein Drama, weil immer irgend jemand einen Sonderwunsch hat. Morgens bei der Abfahrt, alle sitzen im Auto, die Motoren laufen, aber einer muss immer noch einmal aufs Klo, was nicht so schlimm wäre, wenn nicht nach 10 km der nächste schon wieder austreten müsste. Menschen können einen Krieg führen, wenn es um die Übernachtung geht. Der eine will hinter der Düne, der andere vor der Düne, einer im Tal, einer auf dem Berg, einer im Freien der nächste in der Hölle übernachten. Sie werden ewige Diskussionen führen, die zu nichts führen und ihre Frau oder Freundin dreht Ihnen den Hals um, weil Sie schon wieder nachgegeben haben. Tun Sie sich das nicht an, man will ja schließlich Urlaub machen und sich erholen….“

Wir sind mehr als amüsiert. Demnach müsste unsere Tour der reinste Horrortrip sein. Nein, wenn die Interessen und Vorstellungen der Reisepartner nicht allzu sehr auseinander klaffen, wenn Vertrauen, Rücksichtnahme und Toleranz insbesondere in heiklen Situationen praktiziert werden, kann eine Reise mit einer größeren Gruppe zu einem richtig schönen Erlebnis werden. Zu sehen wie sich die Reisepartner in dieses gemeinsame Unternehmen einbringen, wie sie sich für dessen Gelingen einsetzen, erzeugt ein schönes Gefühl. Sascha liest noch dies und das aus dem ‚Ohin’ vor. Wir haben noch viel Spaß. Das Buch ist empfehlenswert.

Zwei bis drei Tage möchten wir ab morgen im Erg Murzuq rumkurven. Auf der Satellitenkarte legen wir dazu einen Kurs fest, der uns in einem Bogen etwa 150 Kilometer durch den Erg führen soll, bevor wir am großen Landwirtschaftsprojekt nördlich des Ergs unser Sandvergnügen beenden möchten. Ob das so machbar ist, weiß ich nicht. Hier bin ich zum ersten Mal, weiter südlich war ich schon öfter. Wir starten unseren Versuch. Die Sandpassagen werden zwar schwieriger, sind aber noch problemlos zu meistern. Beim Queren eines der Dünentäler geraten Claudia und ich vollkommen unerwartet – wir sind gerade in einen Plausch vertieft - in ein übles Fechfech-Loch. Auf 15 Metern kommt das Auto von Tempo 40 aus in dem mehlartigen Material von selbst zum Stehen und erzeugt dabei eine riesige Staubwolke. Kurzzeitig kann ich das Lenkrad nicht mehr sehen, soviel Staub hat sich dank der offenen Seitenscheiben auch im Innenraum ausgebreitet. Nach dem ersten Schreck müssen Claudia und ich laut lachen, obwohl es ja eigentlich nichts zu lachen, sondern nun viel zu säubern gibt. Ermanno befreit mich mit der Seilwinde aus der misslichen Situation. Der Zwischenfall sorgt auch bei unseren Freunden für viel Erheiterung. Jochen und Sascha spielen vor lauter Begeisterung in dem Fechfech-Loch und bewerfen sich mit dem feinen Staub wie Kinder. Wir schlagen unser Lager auf. Wir haben heute 50 Kilometer geschafft und liegen damit gut im Plan. Noch vor dem Essen erkunde ich die nicht ganz leichte Passage zum nächsten Tal zu Fuß. Diese überwinden wir dank meiner Vorarbeit auch zügig, doch der Trend hält an: Es wird immer schwieriger. Mehrmals muss ich die Strecke vorher wieder zu Fuß erkunden, die oberen Dünenkämme ablaufen, bevor ich eine machbare Passage über die Querriegel finde. Und dann ist es immer noch schwer genug, besonders für Jochen mit seinem Powerbolzen, dem 84-PS-Benz.

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Endlich im Murzuq

An das Dünen Fahren hat sich Claudia zwischenzeitlich mehr als gewöhnt. Sie findet es genial, genauso wie die Landschaft. Mehr noch, so langsam entwickelt sie auch diesen gewissen Blick für das Gelände, diese Einschätzung, wo man fahren kann, wo man fahren könnte und wo man es besser erst gar nicht versucht. Und so wetteifern wir immer öfter mit unseren Prognosen. Sie macht sich gut als Co-Pilotin. Vier Augen sehen mehr als zwei. Auch in der Sahara. Natürlich sind unsere Gedanken auch immer wieder bei Geli, der werdenden Mutter, und dem kleinen Gregor, unserem blinden Passagier. Wie werden sie mit dem ständigen Auf und Ab fertig? Geli fühlt sich pudelwohl. Die Rüttelei auf der Bulldozer-Piste war viel schlimmer. Aber was wird der kleine Gregor denken? Wir freuen uns schon drauf, ihm das später mal persönlich erklären zu können. So lange muss er noch warten.

Wir machen Campo. Vom gestrigen sind wir ganze 18 Kilometer entfernt. Nach dem Essen studieren wir wieder die Satellitenkarte. In 25 Kilometern Entfernung in Richtung Nord-Ost beginnt ein langes Gassi, das fast bis zum Ende des Ergs führt. Aber da müssen wir erstmal hin. Die Gegend sieht auch auf der Karte ganz schön verblockt aus. Wie immer legen wir eine Route fest und markieren sie mit Wegpunkten, die wir dann in unsere GPS-Geräte transferieren. Wir starten. Nach 5 Kilometern – an unserem Wegpunkt 5a - stehen wir vor einem mächtigen Querriegel. Die einzig mögliche Passage ist eine lange, im oberen Teil steile und enge Sandrampe. Beim ersten Versuch bleibe ich 3 Meter, beim zweiten schon 6 Meter vor dem ersten Kamm stecken. Die Engstelle war schon vom ersten Anlauf teilweise ruiniert. Hier hat Jochen keine Chance. Wir müssten ihn hoch tragen. Claudia und ich fahren ins südlich angrenzende Tal. Hier ist die Situation ähnlich. Beim zweiten Versuch an der einzig möglichen Stelle bleiben wir wiederum weiter unten hängen. Wir kehren zurück zu den anderen und haben verdammt viel Dusel, dass wir aus dem Tal überhaupt wieder raus gekommen sind. Wir studieren die Satellitenkarte. Wenige Kilometer zurück könnten wir versuchen, in ein nördlich gelegenes Tal zu gelangen. Das würde uns – nach Karte – vermutlich einige Kilometer weiter in unsere Richtung bringen. Über eine Stunde laufe ich die Kämme ab. Jedes Mal, wenn ich einer möglichen Passage nachgehe, lande ich früher oder später in einem Kessel, in den wir mit den Autos vielleicht rein, aber wahrscheinlich nie wieder raus kämen. Wir beraten uns. In spätestens vier Tagen müssen wir den Erg verlassen haben. Sonst können wir unsere Fähre in Tunis vergessen. Darüber hinaus bieten uns die verbliebenen Wasser- und Benzinreserven auch keine allzu großen Spielräume mehr. Damit steht die Entscheidung fest: Wir fahren zurück. Wir werden zwar nicht immer direkt unseren Spuren folgen können – wir sind ja so manch steilen Schütthang runtergerutscht - aber im Prinzip kennen wir das Gelände und wenn wir den Hinweg in 2 Tagen geschafft haben, werden wir für den Rückweg wohl auch nicht viel länger brauchen. Während ich zunächst noch etwas dran knabbern muss, vor den Dünen kapituliert zu haben, sind die anderen ganz fröhlich, Jochen sogar richtig glücklich. Hat er doch jetzt noch garantiert 100 Kilometer Erg Murzuq vor sich.

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Dünensurfen im Murzuq

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Stand: Sonntag, 29. Juli 2007.