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thomas villiger
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Endlich geht es weiter, dem nahen Erg Murzuq entgegen. Schnell erreichen
wir die ersten Dünen. Sie stehen noch isoliert. Zwischen ihnen sind
breite, gut zu befahrende Gassis. Nach etwa 15 Kilometern in Richtung
Süd-Ost, etwa dort wo die ersten Sandriegel zu queren sind, schlagen wir
oben in den Dünen unser Lager auf. Es ist später Nachmittag, das Licht ist
genial und wir genießen die Aussicht auf die fantastische, in Rot
getauchte Dünenlandschaft. Alle sind sichtlich zufrieden. Sascha kramt das
Buch „Pistenbeschreibung einer Libyenreise 1994 – 1995“ von Frithjof Ohin
raus und liest aus dem Kapitel „Reisepartner“ vor: „… Es hat sich
herausgestellt, dass die ideale Zusammensetzung aus 2 Autos mit je 2
Personen besteht. 3 Fahrzeuge sind noch tragbar aber es sind eigentlich
schon zu viele Personen. 6 Individualisten unter einen Hut zu bringen und
jedem seine Bedürfnisse zu erfüllen, kann schlimmer sein als einen Sack
Flöhe zu hüten. 4 Fahrzeuge sind der reinste Horror. Man stelle sich vor,
man muss mit 4 Autos während der Stoßzeit durch Sabha oder Tripolis und
keiner weiß so recht, wo man eigentlich hin will. Das Tanken und Wasser
auffüllen dauert eine Ewigkeit, das Einkaufen ist ein Drama, weil immer
irgend jemand einen Sonderwunsch hat. Morgens bei der Abfahrt, alle sitzen
im Auto, die Motoren laufen, aber einer muss immer noch einmal aufs Klo,
was nicht so schlimm wäre, wenn nicht nach 10 km der nächste schon wieder
austreten müsste. Menschen können einen Krieg führen, wenn es um die
Übernachtung geht. Der eine will hinter der Düne, der andere vor der Düne,
einer im Tal, einer auf dem Berg, einer im Freien der nächste in der Hölle
übernachten. Sie werden ewige Diskussionen führen, die zu nichts führen
und ihre Frau oder Freundin dreht Ihnen den Hals um, weil Sie schon wieder
nachgegeben haben. Tun Sie sich das nicht an, man will ja schließlich
Urlaub machen und sich erholen….“
Wir sind mehr als amüsiert. Demnach müsste unsere Tour der reinste
Horrortrip sein. Nein, wenn die Interessen und Vorstellungen der
Reisepartner nicht allzu sehr auseinander klaffen, wenn Vertrauen,
Rücksichtnahme und Toleranz insbesondere in heiklen Situationen
praktiziert werden, kann eine Reise mit einer größeren Gruppe zu einem
richtig schönen Erlebnis werden. Zu sehen wie sich die Reisepartner in
dieses gemeinsame Unternehmen einbringen, wie sie sich für dessen Gelingen
einsetzen, erzeugt ein schönes Gefühl. Sascha liest noch dies und das aus
dem ‚Ohin’ vor. Wir haben noch viel Spaß. Das Buch ist empfehlenswert.
Zwei bis drei Tage möchten wir ab morgen im Erg Murzuq rumkurven. Auf der
Satellitenkarte legen wir dazu einen Kurs fest, der uns in einem Bogen
etwa 150 Kilometer durch den Erg führen soll, bevor wir am großen
Landwirtschaftsprojekt nördlich des Ergs unser Sandvergnügen beenden
möchten. Ob das so machbar ist, weiß ich nicht. Hier bin ich zum ersten
Mal, weiter südlich war ich schon öfter. Wir starten unseren Versuch. Die
Sandpassagen werden zwar schwieriger, sind aber noch problemlos zu
meistern. Beim Queren eines der Dünentäler geraten Claudia und ich
vollkommen unerwartet – wir sind gerade in einen Plausch vertieft - in ein
übles Fechfech-Loch. Auf 15 Metern kommt das Auto von Tempo 40 aus in dem
mehlartigen Material von selbst zum Stehen und erzeugt dabei eine riesige
Staubwolke. Kurzzeitig kann ich das Lenkrad nicht mehr sehen, soviel Staub
hat sich dank der offenen Seitenscheiben auch im Innenraum ausgebreitet.
Nach dem ersten Schreck müssen Claudia und ich laut lachen, obwohl es ja
eigentlich nichts zu lachen, sondern nun viel zu säubern gibt. Ermanno
befreit mich mit der Seilwinde aus der misslichen Situation. Der
Zwischenfall sorgt auch bei unseren Freunden für viel Erheiterung. Jochen
und Sascha spielen vor lauter Begeisterung in dem Fechfech-Loch und
bewerfen sich mit dem feinen Staub wie Kinder. Wir schlagen unser Lager
auf. Wir haben heute 50 Kilometer geschafft und liegen damit gut im Plan.
Noch vor dem Essen erkunde ich die nicht ganz leichte Passage zum nächsten
Tal zu Fuß. Diese überwinden wir dank meiner Vorarbeit auch zügig, doch
der Trend hält an: Es wird immer schwieriger. Mehrmals muss ich die
Strecke vorher wieder zu Fuß erkunden, die oberen Dünenkämme ablaufen,
bevor ich eine machbare Passage über die Querriegel finde. Und dann ist es
immer noch schwer genug, besonders für Jochen mit seinem Powerbolzen, dem
84-PS-Benz.
Endlich im Murzuq
An das Dünen Fahren hat sich Claudia zwischenzeitlich mehr als gewöhnt.
Sie findet es genial, genauso wie die Landschaft. Mehr noch, so langsam
entwickelt sie auch diesen gewissen Blick für das Gelände, diese
Einschätzung, wo man fahren kann, wo man fahren könnte und wo man es
besser erst gar nicht versucht. Und so wetteifern wir immer öfter mit
unseren Prognosen. Sie macht sich gut als Co-Pilotin. Vier Augen sehen
mehr als zwei. Auch in der Sahara. Natürlich sind unsere Gedanken auch
immer wieder bei Geli, der werdenden Mutter, und dem kleinen Gregor,
unserem blinden Passagier. Wie werden sie mit dem ständigen Auf und Ab
fertig? Geli fühlt sich pudelwohl. Die Rüttelei auf der Bulldozer-Piste
war viel schlimmer. Aber was wird der kleine Gregor denken? Wir freuen uns
schon drauf, ihm das später mal persönlich erklären zu können. So lange
muss er noch warten.
Wir machen Campo. Vom gestrigen sind wir ganze 18 Kilometer entfernt. Nach
dem Essen studieren wir wieder die Satellitenkarte. In 25 Kilometern
Entfernung in Richtung Nord-Ost beginnt ein langes Gassi, das fast bis zum
Ende des Ergs führt. Aber da müssen wir erstmal hin. Die Gegend sieht auch
auf der Karte ganz schön verblockt aus. Wie immer legen wir eine Route
fest und markieren sie mit Wegpunkten, die wir dann in unsere GPS-Geräte
transferieren. Wir starten. Nach 5 Kilometern – an unserem Wegpunkt 5a -
stehen wir vor einem mächtigen Querriegel. Die einzig mögliche Passage ist
eine lange, im oberen Teil steile und enge Sandrampe. Beim ersten Versuch
bleibe ich 3 Meter, beim zweiten schon 6 Meter vor dem ersten Kamm
stecken. Die Engstelle war schon vom ersten Anlauf teilweise ruiniert.
Hier hat Jochen keine Chance. Wir müssten ihn hoch tragen. Claudia und ich
fahren ins südlich angrenzende Tal. Hier ist die Situation ähnlich. Beim
zweiten Versuch an der einzig möglichen Stelle bleiben wir wiederum weiter
unten hängen. Wir kehren zurück zu den anderen und haben verdammt viel
Dusel, dass wir aus dem Tal überhaupt wieder raus gekommen sind. Wir
studieren die Satellitenkarte. Wenige Kilometer zurück könnten wir
versuchen, in ein nördlich gelegenes Tal zu gelangen. Das würde uns – nach
Karte – vermutlich einige Kilometer weiter in unsere Richtung bringen.
Über eine Stunde laufe ich die Kämme ab. Jedes Mal, wenn ich einer
möglichen Passage nachgehe, lande ich früher oder später in einem Kessel,
in den wir mit den Autos vielleicht rein, aber wahrscheinlich nie wieder
raus kämen. Wir beraten uns. In spätestens vier Tagen müssen wir den Erg
verlassen haben. Sonst können wir unsere Fähre in Tunis vergessen. Darüber
hinaus bieten uns die verbliebenen Wasser- und Benzinreserven auch keine
allzu großen Spielräume mehr. Damit steht die Entscheidung fest: Wir
fahren zurück. Wir werden zwar nicht immer direkt unseren Spuren folgen
können – wir sind ja so manch steilen Schütthang runtergerutscht - aber im
Prinzip kennen wir das Gelände und wenn wir den Hinweg in 2 Tagen
geschafft haben, werden wir für den Rückweg wohl auch nicht viel länger
brauchen. Während ich zunächst noch etwas dran knabbern muss, vor den
Dünen kapituliert zu haben, sind die anderen ganz fröhlich, Jochen sogar
richtig glücklich. Hat er doch jetzt noch garantiert 100 Kilometer Erg
Murzuq vor sich.
Dünensurfen im Murzuq
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